Köln, im Sommer 2018. Nur noch zwei Jahre bis zur Verlagerung des Kölner Großmarkts nach Marsdorf!
So zumindest lautete der ursprüngliche Beschluss des Rats der Stadt Köln in seiner Sitzung am 13.12.2007. Das war vor mehr als 10 (!) Jahren.
In seiner jüngsten Sitzung vom 11.07.2018 zu dem Thema Kölner Großmarkt und dessen Verlagerung hat eine breite politische Mehrheit des Rats grundsätzlich die Verlagerung nach Marsdorf bekräftigt und der Stadtverwaltung in diesem Zusammenhang einige Aufträge erteilt, alle mit dem Ziel haben, die Verlagerung nach Marsdorf weiter voran zu bringen. Bis 2020 soll das Planungs- und Baurecht für Marsdorf vorliegen und bis 2023 die Verlagerung endlich durchgeführt werden.
Der erneute Vorschlag der Stadtverwaltung, den Großmarkt ersatzlos zu schließen, diesmal von Frau Blome als derzeit zuständige Vertretungsdezernentin für das Dezernat Wirtschaft und Liegenschaften, war erst einmal vom Tisch. Wir haben zuvor uns im offenen Brief vom 03.07.2017 an den Rat und die Oberbürgermeisterin gewandt, und auf die Bedeutung des Kölner Großmarkts für die Bürger der Stadt Köln und die möglichen Folgen einer Schließung hingewiesen.
Ein Jahr später stehen wir erneut vor der Frage, wie geht es weiter.
Am geplanten Standort in Marsdorf bestellt der Landwirt weiterhin die Felder, die Infrastruktur am jetzigen Standort ist marode, die Hauptzufahrt Marktstraße soll für 1,5 Jahre wegen den Bauarbeiten zur 3. Baustufe der Nord-Süd Stadtbahn geschlossen werden, im Teil ehemals AURELIS sollen Gebäude abgerissen werden, um den Weg zur Parkstadt Süd mit einem Pionierpark zu ebnen und die Stadtverwaltung lehnt Verlängerungen der bis 2019 / 2020 laufende Miet- und Pachtverträge kategorisch ab.
Planungssicherheit? Für die auf dem Kölner Großmarkt ansässigen Händler und Unternehmer schon längst kein Thema mehr. Es bleibt nur ein freier Fall, aus unternehmerischer Hinsicht ein existenzbedrohendes Szenario.
Ungeachtet der vorliegenden Ratssbeschlüsse hat die Stadtverwaltung bis heute noch nicht einmal die vom Rat der Stadt Köln in seiner Sitzung am 11.07.2018 seinerzeit beschlossen Maßnahmen umgesetzt. Zwei Gutachten, die jeweils an externe Gutachter in Auftrag gegeben werden sollen, liegen bis heute immer noch nicht vor.
Nicht nachvollziehbar, zumal bereits im November 2017 der Dezernentin, Frau Blome offensichtlich bereits eine Einschätzung des Gutachters zum Thema EU-Beihilfeproblematik vorliegt und sie hierüber in Ihrer Stellungnahme 28.09.2017 am 09.10.2017 bereits dem Wirtschaftsausschuss, am 07.11.2017 dem Liegenschaftsausschuss, und am 09.11.2017 dem Stadtentwicklungsauschuss berichtet. Wir haben nur durch zufälligen Blick ins Ratsinformationssystem hiervon erfahren.
Aus dieser ersten Stellungnahme geht hervor, dass die Gutachter die Frage nach der Betriebsform im Bezug auf unerlaubte EU-Beihilfe als ohne Belang sehen. Vielmehr ist die Frage wichtig, ob Großmarkt Bestandteil der Daseinsvorsorge ist oder nicht. Als Bestandteil der Daseinsvorsorge gibt es keine Problematik einer möglichen unzulässigen EU-Beihilfe.
Wir haben keinen Zweifel daran, dass der Kölner Großmarkt Bestandteil der Daseinsvorsorge ist. Der Rat hat ebenso keine Zweifel daran, sogar die Stadtverwaltung, hier die bis dahin zuständige Dezernentin, Frau Berg hatte keine Zweifel daran. Einzig Frau Blome, derzeit als Vertretungsdezernentin für den Kölner Großmarkt zuständig, stellt dies nun in Frage und weist auf mögliche Einwendungen seitens des Frischezentrums Venlo hin. In Venlo wird ein Logistikzentrum betrieben. Hierüber verteilt der gebundenen Lebensmitteleinzelhandel seine Güter. Für hierbei anfallende Überschüsse hat sich an diesem gleichen Standort ein Markt entwickelt. Entweder hat die Stadtverwaltung hierüber keine Kenntnis oder man ist auf der verzweifelten Suche gegen einen Kölner Großmarkt.
Das Gutachten selbst wird auf der Grundlage einer Arbeitshypothese Verlagerung Marsdorf erstellt, da bis heute 11 Jahre später die Stadtverwaltung immer noch außerstande ist, zumindest annähernd verlässliche Daten vorzulegen. Also werden erneut Steuergelder für Gutachten ausgegeben, dessen Ergebnis allenfalls als Diskussionsgrundlage für mögliche (hypothetische ) Szenarien herangezogen werden kann.
Hinzu kommt, das mit Blick auf das schon länger geltende EU-Recht, hier Art. 107 AEUV, man eigentlich erwarten sollte, dass Kölns Stadtverwaltung dieses Thema beherrscht. Denn so ziemlich jedwede Betätigung der Stadt Köln, die dazu geeignet sein kann, bestimmten Unternehmen oder Produktionszweige zu begünstigen mit dem Effekt, dass der Wettbewerb innerhalb der EU verfälscht oder gar nur zu verfälscht werden droht, muss auf rechtliche Zulässigkeit überprüft werden. Es gibt hier umfassende Regelungen, wann eine Beihilfe zulässig ist und wann nicht. Es gibt zudem umfangreiche Fachliteratur zu diesem Thema.
Wir verweisen zum Thema EU-Beihilfe und Daseinsvorsorge hier exemplarisch auf die Diplomarbeit des Herrn Daniel Theodor Rogalinski, Matrikelnummer 20100385, Jahrgang 2010/2013, eingereicht am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern mit dem Thema „Lebensmittelmärkte als kommunale Daseinsvorsorge mit Zukunft – Der Großmarkt in München“. Für die Verantwortlichen der Stadtverwaltung eine möglicherweise interessante Lektüre.
So stellt der Betrieb des Kölner Großmarkt als Bestandteil der Daseinsvorsorge kein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht dar!
Die Auslegung dieses Begriffs ist jedoch umstritten. So freut es die Gegner des Kölner Großmarkts, hier erneut einen möglichen Grund gefunden zu haben, endlich das Aus der Kölner Großmarkts verkünden zu lassen.
Der Stadtverwaltung ist dies alles nur recht und billig. Die Verlagerung des Kölner Großmarkts bedeutet für die Stadtverwaltung eine Menge Arbeit und vor allem das Vorhandensein von Kompetenz für ein derartiges großes Projekt. 11 Jahre sind schon vorbei, abgesehen von einem Flächennutzungplan und rudimentären Bebauungsplan gibt es keinerlei Pläne für Marsdorf. Am jetzigen Standort sind die Planer in Sachen Parkstadt Süd bereits emsig dabei, den Kölner Großmarkt zu überplanen.
Aber wer sind denn die Gegner des Kölner Großmarkts? Am geplanten Standort versuchen Interessierte mit Horrorszenarien die Bürger zu mobilisieren, um den Wert derer Immobilien zu schützen. Verkehrsbelastung ist da so ein Schlagwort, Lärmbelästigung ein anderes.
Der geplante Standort Marsdorf liegt direkt an der Autobahn, in der Nähe von dem Autobahnkreuz West, bzw. Ausfahrt Frechen, hier gibt es in unmittelbarer Nähe nur weitere Gewerbeflächen und keine Wohnbebauung. Der Verkehr mit LKWs findet überwiegend in Nacht Stadt, also nicht während der Berufsverkehrszeiten.
In der Metropolregion KölnBonn leben etwa 3,5 Millionen Menschen. Der Kölner Großmarkt stellt ein essentielles Standbein in der Versorgung mit frischen Lebensmitteln und Feinkost abseits des gebundenen Lebensmitteleinzelhandels dar und bietet zudem Produkte, die abgestimmt auf die kulturelle Vielfalt der in dieser Region lebenden Menschen sind. Ein Blick auf den jetzigen lebhaften Betrieb des Kölner Großmarkts belegt, dass ungeachtet der vielen Widrigkeiten aufgrund des großen Bedarfs an hier gehandelten Waren der Großmarkt von essentieller Bedeutung für die Stadt Köln ist.
Der Kölner Großmarkt ist außerdem ein heterogner Arbeitsmarkt mit etwa 2.000 Beschäftigen. Hier können Menschen in sehr vielen unterschiedlichen Berufen an einem einzigen Standort ihrer Tätigkeit nachgehen. Menschen mit Migrationshintergrund finden hier ebenso Arbeit wie Menschen mit geringer Qualifikation. Ohne jegliches Zutun der Politik findet hier der von unserer Gesellschaft gewünschte Integrations- und Beschäftigungsprozess statt, der für die hier tätigen Menschen Chancen und eine Perspektive bietet. Ein Aspekt, der ebenso berücksichtigt werden sollte, wie die Versorgung der Kölner Bürger mit frischen Lebensmitteln und Feinkost.
Wer regiert die Stadt Köln denn nun? Der Rat oder die Stadtverwaltung? Wir sehen derzeit, dass seitens der Stadtverwaltung keinerlei Initiative ergriffen wird, um die von dem Rat der Stadt Köln gefassten Beschlüsse in Sachen Großmarkt, sei es Verlagerung oder Investitionen am jetzigen Standort auch umsetzen zu wollen. Im Gegenteil durch Aussitzen und Verzögern sowie gezielte Maßnahmen (Sperrung der Hauptzufahrt für 1,5 Jahre) versucht die Stadtverwaltung Fakten zu schaffen, die einen weiteren Betrieb des Kölner Großmarkts unmöglich machen. Den Händlern und Unternehmern wird es zunehmend schwer gemacht, ihrer Tätigkeit nachgehen zu können. Wir appellieren an Frau Oberbürgermeisterin Reker, hier endlich wie versprochen durchzugreifen und dafür Sorge zu tragen, dass die Stadtverwaltung Ihren Pflichten gegenüber den Bürger der Stadt Köln auch nachkommt.
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